94 Verbände fordern: neue Gentechnikverfahren strikt regulieren, Gene Drives stoppen!

Insgesamt 94 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Tier- und Naturschutz, internationale Zusammenarbeit, Kirchen, Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Züchtung, Lebensmittelwirtschaft und Imkerei sowie Jugendorganisationen fordern die Bundesregierung in einem veröffentlichten Positionspapier vom 21.04.2021 dazu auf, in Deutschland und auf EU-Ebene alle derzeitigen wie künftigen Gentechnikmethoden und die daraus entstehenden gentechnisch veränderten Organismen (GVO) weiterhin unter dem bestehenden EU-Gentechnikrecht zu regulieren und zu kennzeichnen.

Anlass für dieses Positionspapier war eine Stellungnahme der EU-Kommission zur neuen Gentechnik in der Landwirtschaft vom 30. April 2021, das eine Änderung der EU-Gentechnikgesetzgebung in Betracht zieht. Seit Jahren hatten Industrie und Gentechnik-Befürworter*innen dafür geworben, neue Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas von der EU-Gentechnik-Richtlinie 2001/18/EG auszunehmen.

Demgegenüber hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings bereits in einem Urteil vom Juli 2018 klargestellt, dass auch neue Gentechnikverfahren Gentechnik im Sinne des europäischen Gentechnikrechts seien. Aus diesem Grund müssen laut der EU-Gentechnikrichtlinie im Sinne des EU-rechtlich verankerten Vorsorgeprinzips Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit ergriffen werden. Dazu gehört nach aktuellem Gentechnikrecht eine Risikoprüfung vor Marktzulassung sowie eine Kennzeichnung der mittels Gentechnik erzeugten Produkte als “GVO”.

Aus Sicht der 94 Verbände ist die gentechnikfreie Züchtung, Saatguterzeugung, Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie der Handel auf die Kennzeichnung von GVO, auf die Transparenz und Rückverfolgbarkeit sowie auf die Koexistenz- und Haftungsregelungen angewiesen, die das aktuelle Gentechnikrecht vorschreibt. Deshalb fordern sie mit ihrem Positionspapier die Bundesregierung dazu auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, die Wahl- und Gentechnikfreiheit durch fortgesetzte Kennzeichnung und Transparenz, Risikoprüfung vor Zulassung und Rückverfolgbarkeit zu sichern.

Sogenannte Gene Drives seien in diesem Kontext ein Extrembeispiel für die zusätzlichen Risiken und das Missbrauchspotential neuer Gentechnikverfahren. Mit ihnen sollen erstmals auch wild lebende Arten jenseits der Landwirtschaft gentechnisch verändert, dezimiert oder ausgerottet werden. Einmal freigesetzt, sei die gentechnische Kettenreaktion eines Gene Drive nicht mehr rückholbar oder zu kontrollieren. Im schlimmsten Falle könne dies zum Kollaps ganzer Ökosysteme führen.

Deshalb fordern die 94 Verbände in ihrem Positionspapier, die Freisetzung von Gene Drive Organismen in die Natur zu unterbinden. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Biodiversität brauche es ein globales Moratorium auf die Anwendung der Technologie  in der Natur.

 

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Links zu weiteren Pressemitteilungen:


162 Verbände fordern globales Gene Drive Moratorium

Eine breite Koalition von 162 Organisationen hat Frans Timmermans, dem Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission, einen offenen Brief geschrieben. Sie fordert, Pflanzen und Tiere, die mit neuen gentechnischen Methoden verändert wurden, auch in Zukunft strikt zu regulieren. Ferner soll die EU-Kommission ein weltweites Moratorium für Gene Drive-Organismen unterstützen.

Die bestehenden EU-Gentechnik-Standards sicherten die Umsetzung des Vorsorgeprinzips und schützten Umwelt und Verbraucher, schrieben die Organisationen aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, Land- und Lebensmittelwirtschaft. Bauern und Konsumenten könnten frei wählen, ob sie gentechnisch veränderte Pflanzen essen oder anbauen wollen. Aktueller Anlass für den offenen Brief ist eine Studie über den derzeitigen Status und die zukünftige Regulierung gentechnisch veränderter Organismen in der Europäischen Union (EU). Die Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten hatten die EU-Kommission im November 2019 aufgefordert, eine solche Studie zu erstellen. Sie soll verschiedene Aspekte berücksichtigen, darunter den wissenschaftlichen Fortschritt, die rechtliche Situation, wie auch eine Veröffentlichung der „Europäischen Gruppe für Ethik in Wissenschaft und neuen Technologien". Die Europäische Kommission hat angekündigt, die Studie Ende April zu veröffentlichen.

Ferner fordern die Autoren des Briefes an Timmermans und andere Mitglieder der EU-Kommission, diese solle sich dafür einsetzen, dass die Regelung der Gentechnik in Großbritannien auch nach dem Brexit EU-konform bleibt. Denn die britische Regierung plant aktuell, ihr Gentechnikrecht zu überarbeiten. Wie der Infodienst berichtete, hatte sie dafür Anfang des Jahres Betroffene zu einem Konsultationsverfahren eingeladen, das Mitte März endete. Die Organisationen fordern Timmermans jetzt auf, sich bei der Regierung von Großbritannien dafür stark zu machen, diese Pläne fallen zu lassen. Denn wenn gentechnisch veränderte Pflanzen in Großbritannien künftig weniger streng geregelt würden, würde das auch den Handel mit der EU betreffen.

Schließlich fordern die 162 Organisationen, die EU-Kommission solle sich für die Unterstützung eines weltweiten Moratoriums über die Nutzung von sogenannten Gene Drive-Organismen einsetzen. Gene Drive-Organismen entstehen aus einer besonderen Anwendung der neuen Gentechnik. Diese birgt die Gefahr, dass ganze Arten von Organismen stark dezimiert oder ausgerottet werden könnten. Das Europäische Parlament hatte sich bereits im Januar 2020 im Sinne einer Petition für ein globales Moratorium ausgesprochen. Gerade in Zeiten einer „ökologischen Krise, wenn eine Million Arten bedroht sind“, könne nicht mit einer Technologie experimentiert werden, die auch als „Aussterben nach Bedarf“ bezeichnet wird, so die Begründung.

 


162 organizations call for global gene drive moratorium

A broad coalition of 162 organizations has sent an open letter to Frans Timmermans, Vice President of the European Commission. It demands that plants and animals modified using new genetic engineering methods continue to be strictly regulated in the future. Furthermore, the EU Commission should support a global moratorium on gene drive organisms.

The existing EU genetic engineering standards ensure the implementation of the precautionary principle and protect the environment and consumers, wrote the organizations from the fields of environmental and consumer protection, agriculture and the food industry. Farmers and consumers would be free to choose whether to eat or grow genetically modified crops. The current occasion for the open letter is a study on the current status and future regulation of genetically modified organisms in the European Union (EU).  The governments of the European member states had asked the EU Commission in November 2019 to prepare such a study. It should take into account various aspects, including scientific progress, the legal situation, as well as a publication of the "European Group on Ethics in Science and New Technologies." The European Commission has announced that they will publish the study at the end of April.

The authors of the letter to Timmermans and other members of the EU Commission also call on the Commission to ensure that the regulation of genetic engineering in the UK remains EU-compliant after Brexit. This is because the British government is currently planning to revise its genetic engineering legislation. As reported by Infodienst, it invited stakeholders to a consultation process at the beginning of the year, which ended in mid-March. The organizations are now calling on Timmermans to lobby the UK government to drop these plans. If genetically modified plants were to be less strictly regulated in the UK in the future, this would also affect the trade with the EU.

Finally, the 162 organizations call for the EU Commission to support a worldwide moratorium on the use of so-called gene drive organisms. Gene drive organisms result from a special application of new genetic engineering. This poses the risk that entire species of organisms could be severely decimated or wiped out. The European Parliament had already spoken out in favor of a global moratorium in January 2020 in the form of a petition. Especially in times of "ecological crisis, when a million species are threatened," experiments with a technology that is also referred to as "extinction on demand" cannot be carried out, according to the justification.

 


Mücke

Gene Drive Organismen erstmals im Gentechnikrecht reguliert

Gentechniksicherheitsverordnung: Erarbeitung spezifische Sicherheitsauflagen steht noch aus

Mit dem heutigen Inkrafttreten der Änderungen an der Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV) werden Gene Drive Organismen explizit in den Geltungsbereich des deutschen Gentechnikrechts aufgenommen. Im Jahr 2019 wurde im Zuge einer Novellierung ein Verfahren für die Bestimmung von Sicherheitsauflagen für Laborexperimente mit Gene Drive Organismen (GDO) festgelegt. Bei GDO handelt es sich um eine neue Klasse gentechnisch veränderter, hochinvasiver Organismen, die dafür geschaffen werden, ihre gentechnische Veränderung möglichst schnell und flächendeckend in wildlebenden Populationen zu verbreiten.

Ab dem 1. März 2021 gilt nun, dass Gene Drive Organismen (für Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen gleichermaßen) zunächst grundsätzlich in die Sicherheitsstufe 3 von 4 eingestuft werden müssen. Das hat zur Folge, dass vor Beginn eines Laborexperimentes eine Genehmigung bei der zuständigen Landesbehörde eingeholt werden muss. Diese legt dann zusammen mit der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) eine passende Sicherheitsstufe zwischen 1 und 4 fest. Dabei sind der Sicherheitsstufe 4 laut Verordnung solche Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem hohen Risiko oder dem begründeten Verdacht eines solchen Risikos für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist – während bei Sicherheitsstufe 1 kein solches Risiko zu erwarten ist.

Die Einführung einer Genehmigungspflicht für Experimente mit hochinvasiven gentechnisch veränderten Gene Drive Organismen ist ein wichtiger erster Schritt. Dieser ist dem Eingreifen des Bundesrats nach Intervention von Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden zu verdanken. Die Möglichkeit einer Einstufung in Sicherheitsstufen 1 und 2 nach einer Einzelfallbewertung durch die ZKBS halte ich jedoch für gefährlich
so Mareike Imken, Koordinatorin der europäischen Stop Gene Drive Kampagne.

Das liege darin begründet, dass die Gentechniksicherheitsverordnung weiterhin nicht auf die von Gene Drive Organismen ausgehenden Gefahren für Artenvielfalt und Umwelt durch die selbstständige und invasive Ausbreitung von gentechnisch veränderten Gene Drive Organismen ausgelegt sei.

Bereits das Entkommen einzelner Versuchstiere, etwa von Gene Drive Fliegen oder Mücken aus einem Forschungslabor könnte erheblichen Schaden in der Umwelt verursachen und theoretisch zur Ausrottung wildlebender Populationen oder der gesamten Art führen. Deshalb sollten dringend spezifische Sicherheitsauflagen für Laborexperimente mit Gene Drive Organismen entwickelt werden, wie es die Erfinder dieser Gentechnologie und der Bundesrat  fordern. Außerdem muss die seit Jahren vakante Sachverständigenstelle zu Naturschutzfragen innerhalb der ZKBS nun schnell nachbesetzt werden. Eine Sicherheitseinstufung und Risikobewertung von Gene Drive Organismen ohne die  Beratung durch eine Naturschutzexpertin, darf es nicht mehr geben.
so Imken.

 

Zur GenTSV

Zum Beschluss des Bundesrates

Zum Verbändebrief an die Landeminister*innen

Empfehlungen zu Sicherheitsauflagen für die Gene Drive Forschung durch GD-Entwickler:


Online-Discussion: Gene Drives - Protecting People and Nature through Genetic Extermination?

 

Ricarda Steinbrecher, geneticist and board member of the European Network for Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER), emphasized that it is difficult or even impossible to make reliable predictions about the effects of a future application of Gene Drives, especially at the current time. After all, organisms are released which then independently carry out the genetic modifications in each generation. "Mistakes can be made every time. Every time, something else can be added." To ensure the preservation of biodiversity, new technologies such as Gene Drives must be looked at very closely to ensure that they do not pose any risks to our ecosystems. This is why she strongly advocated the precautionary principle during the international negotiations on the regulation of gene drive technology at the UN Convention on Biological Diversity. As a long-standing scientific advisor and participant in expert groups within the UN Convention on Biological Diversity, she reported that there is a strong influence of lobby groups on these expert bodies: For example, the Bill & Melinda Gates Foundation, one of the main financiers of the technology, had invested 1.6 million dollars in a PR agency to increase the acceptance of Gene Drives. She concluded: "The pressure to implement this technology is not commensurate with the risk."

Ali Tapsoba de Goamma, human rights and environmental activist from Burkina Faso and spokesperson for a civil society association of 40 organizations for agroecology and against Gene Drives (CCAE), reported that since 2012, the project Target Malaria has been preparing to decimate malaria-transmitting mosquitoes in Burkina Faso by means of Gene Drives. In 2019, the first field tests with genetically modified male mosquitoes that are not capable of reproducing took place, but not any Gene Drive Organisms have been released yet. Ali Tapsoba de Goamma criticized that Target Malaria had obtained the consent of the government and village leaders for these tests, but not the consent of the entire population of Burkina Faso. Rather, they had taken advantage of the fact that there are so many illiterate people in the local villages. The majority of the inhabitants of Burkina Faso are against these experiments. He raised the question: "Why not try this first in scientifically better equipped countries, but in Burkina Faso?" In his view, Burkina Faso was in a position to combat malaria itself. He said that this does not require gene drives, but a good health concept.

Dr. Andreas Wulf, doctor and consultant for global health at the medical emergency aid organization Medico International, emphasized that epidemics like malaria require long-term strategies. The idea of trying to solve such a disease with the one-time use of a technology without continued commitment is questionable, he said. One should not rely on such a "technological fix". Experience in combating other epidemics has shown that the success of the measures depends on good cooperation with the people on the ground and finding local solutions. He also criticized from a democratic point of view: "It is a problem that so much decision-making power is given to these private actors, the companies / foundations. A handful of people choose which area of research to invest in. In addition, the media coverage of research is also financially supported by these foundations". Dr. Andreas Wulf concluded that these private funds need to be embedded in the public health systems.

Mareike Imken, head of the Stop Gene Drive campaign of Save Our Seeds, explained that with the European campaign, which is supported by many organizations throughout Europe, she wanted to initiate a critical discussion in society and politics about "whether and if so, under what circumstances we want to use this technology and what restrictions it needs."
She went on to explain: "Gene Drives provides us as humanity with a tool to specifically eradicate or change wild species. In times of a species extinction that is existential for mankind, this must be considered and ethically discussed. This should not be decided lightly by those few people". She also points out that "the knowledge about Gene Drives is not yet sufficiently advanced".
In order to have time for this discussion, in-depth risk research including technology assessment and the development of internationally valid rules and decision-making mechanisms, a global moratorium on the release of gene drive organisms is needed. This moratorium must be adopted at the next Conference of the Parties of the UN Convention on Biological Diversity (COP 15).

 


Online-Veranstaltung zu Gene Drives: Mit gentechnischer Ausrottung Menschen und Natur schützen?

Ricarda Steinbrecher, Genetikerin und Vorstandsmitglied des European Networks for Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) betonte, dass es – vor allem zum aktuellen Zeitpunkt – schwer bis unmöglich sei, verlässliche Vorhersagen über die Auswirkungen einer zukünftigen Anwendung von Gene Drives zu machen. Schließlich setze man Organismen frei, die dann selbstständig in der Natur die gentechnischen Veränderungen in jeder Generation von Neuem vornähmen. „Jedes Mal können Fehler eingebaut werden. Jedes Mal kann etwas Anderes noch dazu kommen.“ Um den Erhalt der Biodiversität zu gewährleisten, müsse man sich neue Technologien wie Gene Drives sehr genau anschauen, um sicherzustellen, dass von ihnen keine Risiken für die Ökosysteme ausgingen. Deshalb setzte sie sich bei den internationalen Verhandlungen um die Regulierung der Gene Drive Technologie bei der UN Biodiversitätskonvention stark für das Vorsorgeprinzip ein. Als langjährige wissenschaftliche Beraterin und Teilnehmerin von Expertengruppen innerhalb der UN Biodiversitätskonvention berichtete sie, dass es eine starke Einflussnahme von Lobbygruppen auf diese Expertengremien gebe: So habe die Bill & Melinda Gates Stiftung, einer der Hauptfinanziers der Technologie, 1,6 Millionen. Dollar in eine PR-Agentur gesteckt, um die Akzeptanz von Gene Drives zu erhöhen. Sie schlussfolgerte: „Der Druck das umzusetzen ist nicht angemessen, gegenüber dem Risiko.“

Ali Tapsoba de Goamma, Menschenrechts- und Umweltaktivist aus Burkina Faso und Sprecher eines 40 Organisationen umfassenden zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses für Agrarökologie und gegen Gene Drives (CCAE) berichtete, dass in Burkina Faso seit 2012 das Projekt Target Malaria Faso Vorbereitungen treffe, um mittels Gene Drives malariaübertragende Mücken zu dezimieren. Im Jahr 2019 hätten erste Freiland-Tests mit gentechnisch veränderten, nicht fortpflanzungsfähigen männlichen Mücken stattgefunden, die jedoch noch keinen Gene Drive in sich getragen hätten. Ali Tapsoba de Goamma kritisierte, dass Target Malaria sich für diese Tests zwar das Einverständnis der Regierung und der Dorfvorsteher, nicht aber die Zustimmung der gesamten Bevölkerung von Burkina Faso eingeholt habe. Vielmehr hätten sie es sich zu Nutzen gemacht, dass es in den lokalen Dörfern so viele Analphabeten gebe. Die Mehrheit der Menschen in Burkina Faso sei gegen diese Experimente. Er warf die Frage auf: „Warum probiert man das nicht erst in wissenschaftlich besser ausgestatteten Ländern, sondern in Burkina Faso?“ Aus seiner Sicht sei Burkina Faso in der Lage, die Malaria selbst zu bekämpfen. Dafür brauche es keine Gene Drives, sondern ein gutes Gesundheitskonzept.

Dr. Andreas Wulf, Arzt und Referent für globale Gesundheit bei der medizinischen Nothilfeorganisation Medico International betonte, dass es bei Epidemien wie Malaria auf langfristige Strategien ankäme. Die Idee, eine solche Krankheit mit dem einmaligen Einsatz einer Technologie ohne fortgeführtes Engagement lösen zu wollen, sei bedenklich. Man dürfe sich nicht auf einen solchen „technologischen Fix“ verlassen. Im Gegenteil habe die Erfahrung bei der Bekämpfung anderer Epidemien gezeigt, dass es für den Erfolg der Maßnahmen darauf ankomme, gut mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten und lokale Lösungen zu finden. Darüber hinaus kritisierte er aus demokratischer Sicht: „Es ist ein Problem, dass diesen privaten Akteuren, den Unternehmen / Stiftungen so viel Entscheidungsmacht zugesprochen wird. Eine Handvoll Menschen entscheiden, in welchen Bereich der Forschung investiert wird. Zudem wird auch die mediale Berichterstattung zur Forschung von diesen Stiftungen finanziell begleitet.“ Es brauche eine Einbettung dieser privaten Gelder in die öffentlichen Gesundheitssysteme schlussfolgerte Dr. Andreas Wulf.

Mareike Imken, Leiterin der Stop Gene Drive Kampagne von Save Our Seeds legte dar, dass sie mit der europäischen Kampagne, welche von vielen Organisationen europaweit unterstützt werde, eine kritische Diskussion in Gesellschaft und Politik darüber anstoßen wolle, „ob und wenn ja, unter welchen Umständen wir diese Technologie nutzen wollen und welche Einschränkungen sie braucht.“
Sie erklärte weiter: „Mit Gene Drives bekommen wir als Menschheit ein Werkzeug an die Hand, um wildlebende Arten gezielt auszurotten oder zu verändern. In Zeiten eines für die Menschheit existenziellen Artensterbens ist dies zu bedenken und ethisch zu diskutieren. Das sollte nicht leichtfertig von wenigen entschieden werden.“ Auch stellt sie heraus, dass "das Wissen zu Gene Drives noch nicht weit genug fortgeschritten“ ist.
Um Zeit für diese Diskussion, vertiefte Risikoforschung incl. Technikfolgenabschätzung und die Entwicklung international gültiger Regeln und Entscheidungsmechanismen zu haben, brauche es ein globales Moratorium auf die Freisetzung von Gene Drive Organismen. Dieses müsse bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz der UN Biodiversitätskonvention (COP 15) beschlossen werden, um erste Freisetzungsversuche aufzuschieben und abzusichern.

 


29 deutsche Organisationen für globales Gene Drive Moratorium

In einem gemeinsamen offenen Brief, der am 19.02.2020 an die Ministerinnen Karliczek, Klöckner und Schulze versendet wurde, forderte ein Bündnis aus 29 deutschen Organisationen die Bundesregierung dazu auf, sich bei anstehenden internationalen Verhandlungen für ein globales Gene Drive Moratorium auszusprechen.

Anlass für den gemeinsamen Brief war, dass in Bezug auf die Gene Drive Technologie in den nächsten Monaten wichtige Entscheidungen anstehen: Bei der im Oktober stattfinden Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention in China wird die Bundesregierung im Rahmen Ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle spielen. Auch bereits bei den vorab stattfindenden Expert*innenkonferenzen, darunter vor allem der SBSTTA 24 im Mai, kann die Bundesregierung entscheidende Weichen für die Regulierung dieser Technologie stellen. Zusätzlich findet derzeit innerhalb der Weltnaturschutzorganisation IUCN ein Konsultationsprozess statt, in dem alle IUCN-Mitglieder, darunter Deutschland, aufgefordert sind, bezüglich des Resolutionsentwurfs 075 zur Rolle der synthetischen Biologie (einschließlich Gene Drives) für den Schutz der Artenvielfalt Kommentare beizusteuern. Diese Resolution soll die Grundlage für einen inklusiven Diskussionsprozess innerhalb der IUCN bieten, in dem sich deren Mitglieder über die mögliche Rolle von Anwendungen der synthetischen Biologie, darunter Gene Drives für den Schutz der Artenvielfalt austauschen sollen. Beim IUCN Weltkongress 2024 will die Weltnaturschutzorganisation dann seine offizielle Position dazu abstimmen.
Das Bündnis fordert die Bundesregierung in ihrem Brief dazu auf, dem Votum des Europäischen Parlaments vom 16. Januar 2020 zur CBD COP 15 zu folgen, in dem das Europäische Parlament die EU in einem Entschließungsantrag dazu aufforderte, zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention einen globalen Freisetzungsstopp (moratorium) für Gene Drive Organismen in die Natur zu fordern, um verfrühten Experimenten mit der Technologie in der Natur vorzubeugen.

Zum Bündnis-Brief

Europaparlament fordert globales Gene Drive Moratorium!

Bei seiner Plenarsitzung am 16.01.2020 hat das Europäische Parlament seine Position für die 15. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitäts- konvention (COP 15 CBD) festgelegt. In ihrer Resolution fordern die Europa- parlamentarier*innen die EU dazu auf, sich bei den im Oktober anstehenden internationalen Verhandlungen der CBD für ein globales Gene Drive-Moratorium einzusetzen.

Mit einem gemeinsamen Brief hatte ein EU-weites Bündnis von über 50 NGOs, darunter Greenpeace, Friends of the Earth Europe und IFOAM EU, die Abgeordneten im Vorfeld dazu aufgerufen, für entsprechende Änderungsanträge zu stimmen.

Die nächste Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Oktober 2020 in China könnte einer der letzten Momente sein, um geplante Freisetzungen von Gene Drive Mücken durch das Projekt Target Malaria zu unterbinden. Eine Freisetzung von Gene Drive Organismen würde eine unkontrollierbare Ausbreitung der auf neuartige weise gentechnisch veränderten Organismen verursachen – und eine globale Ausbreitung und unwiderrufliche Veränderung oder Schädigung von Ökosystemen zur Folge haben. Da es bis dato keine Möglichkeit gibt, einmal freigesetzte Gene Drive Organismen wieder aus der Natur zu entfernen oder Veränderungen und Schäden in Ökosystemen, Nahrungsnetzen und an der Artenvielfalt rückgängig zu machen, widerspricht eine solche Freisetzung dem Vorsorgeprinzip. Dieses wurde eigens von der CBD zum Schutz der Artenvielfalt geschaffen und ist die Grundlage des europäischen als auch deutschen Naturschutzrechts.

Save Our Seeds hatte sich im Jahr 2019 für die Einbringung dieser Änderungsanträge im Europaparlament stark gemacht und unterstützte als Teil eines starken Bündnisses aus deutschen NGOs, Stiftungen und Expert*innen die Forderungen des Briefes und die Unterstützung von nun angenommen Änderungsanträgen, die zum Ziel hatten:

  • eine Freisetzung von Gene Drive Organismen in die Natur zu unterbinden
  • die Anwendung und rechtliche Stärkung des Vorsorgeprinzips im der neu zu schaffenden UN-Rahmenkonvention für die Artenvielfalt nach 2020 unterstützen
  • eine vorbeugende Technikfolgenabschätzung, technologische Vorausschau (Horizon Scanning) und Überwachung (Monitoring) für neue Technologien wie Gene Drives vorzuschreiben
  • die Wahrung von Rechten auf eine informierte vorherige Zustimmung lokaler Gemeinschaften und indigener Völker vor einem Einsatz risikoreicher Technologien in ihrer Umwelt zu gewährleisten

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