Gene Drive – gentechnische Kettenreaktion zur Veränderung von Arten in der Natur

„Unterm Strich ist die Entwicklung eines standardisierten, sich selbst verbreitenden CRISPR-basierten Gene Drive Systems gleichbedeutend mit der Entwicklung einer neuen, hochinvasiven Art: Beide werden sich wahrscheinlich auf jedes Ökosystem ausbreiten, in dem sie lebensfähig sind und womöglich ökologische Veränderungen bewirken.“

So beschreibt der US-amerikanische Forscher Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston eine Entdeckung, an der er selbst maßgeblich beteiligt war. Mit Hilfe der sogenannten „Genschere“ CRISPR-Cas lassen sich Organismen herstellen, die bestimmte genetische Eigenschaften zu 100 Prozent an alle ihre Nachkommen vererben können. Ihnen wird nicht nur, wie bisher, eine gentechnisch veränderte DNA-Sequenz eingepflanzt, sondern auch der Bauplan für ein CRISPR-System, das diese gentechnische Manipulation selbständig in allen folgenden Generationen wiederholt. Wird ein solcher Gene Drive Organismus in die Umwelt freigesetzt, löst er eine gentechnische Kettenreaktion aus, die das Genom einer ganzen Art global verändern kann. Weil sich damit auch Eigenschaften verbreiten lassen, die eine weitere Vermehrung unterbinden, lassen sich mit Gene Drives Pflanzen- und Tierarten auch ausrotten.

Für ein weltweites Moratorium

Gemeinsam mit mehr als 200 Organisationen aus aller Welt fordern wir ein globales Moratorium auf jegliche Freisetzungen, den Import und den kommerziellen Anbau von Gene Drive Organismen sowie strenge Sicherheitsstandards für Forschungslabore.

Die mit der Gene Drive Technologie verbundenen Gefahren und Risiken sind unstrittig. Auch die Entwickler dieser Technologie weisen darauf hin. Sie hoffen, diese Risiken mit technischen Mitteln minimieren zu können, indem sie die globale Wirkung der Technologie begrenzen. Sollte die Menschheit sich auf ein solches Risiko einlassen? Einmal freigesetzt, könnten Gene Drive Organismen und was immer sich aus ihnen im weiteren Verlauf dieser menschengemachten Evolution entwickelt, möglicherweise nie wieder zurückgeholt werden. Die gentechnische Kettenreaktion nähme ihren globalen Lauf.

Der Umgang mit Gene Drives bedarf deshalb internationaler Vereinbarungen und Regeln. Seit einiger Zeit wird er im Rahmen der Konvention für biologische Vielfalt (CBD) diskutiert. Auf eine gemeinsame Linie konnten sich die Staaten bisher noch nicht einigen. Wird die internationale Staatengemeinschaft auf der im Herbst 2022 in China stattfindenden 15. Vertragsstaaten-Konferenz der CBD endlich die Freisetzung von Gene Drive Organismen bis auf weiteres ächten, bevor es zu spät ist?

Save Our Seeds fordert die Bundesregierung und die Europäische Union auf, sich im Sinne des Vorsorgeprinzips für ein Moratorium einzusetzen und der diesbezüglichen Forderung des Europaparlaments vom Januar 2020 Folge zu leisten.

Weiterführende Texte zu zukünftigen Anwendungen von Gene Drives und ihrer notwendigen Regulierung:

Kritischer Agrarbericht 2020: Gene Drives. Die Gentechnik zum Umbau der Evolution

Forum Umwelt & Entwicklung Rundbrief 1/2019: Mit Gene Drives endlich wirklich Gott spielen.

Wie funktionieren Gene Drives?