Day: März 3, 2022

Weltnaturschutztag 2022

Weltnaturschutztag 2022

Der Taum oder Albtraum von gentechnisch veränderten Wildtieren.

Warum 100 deutsche Naturschutzorganisationen Position beziehen und dies weltweiter Nachahmung bedarf!

Die meisten Menschen in der EU – einschließlich der Zivilgesellschaft – lehnen die gentechnische Manipulation von Agrarpflanzen und GVO in Nahrungsmitteln ab, wissen aber nicht, dass sich der Umfang gentechnischer Projekte im letzten Jahrzehnt radikal verändert hat: Mit der Entwicklung von CRISPR/Cas wurden die Möglichkeiten der Gentechnik auf eine neue Ebene gehoben und die früher verwendeten „Genkanonen“, die z.B. die Entwicklung von Monsantos pestizidresistenten Mais ermöglichten, inzwischen völlig veraltet sind. Mit CRISPR können viel mehr Arten – und nicht nur domestizierte – auf sehr viel gezieltere und tiefgreifendere Weise gentechnisch verändert werden.

Gentechnologie im Naturschutz?

Beeindruckt von diesen neuen Möglichkeiten haben Molekularbiologen und sogar einige Naturschutzorganisationen begonnen, von der Gentechnik als Wunderwaffe für den Naturschutz zu träumen. Vor allem invasive Arten sind Gegenstand von Forschungsprojekten, die auf die Entwicklung so genannter Gene-Drive-Organismen abzielen.

Gene-Drive-Organismen – eine spezielle Anwendung der CRISPR/Cas-basierten Gentechnik – sorgen dafür, dass ein gentechnisch verändertes Merkmal zu 100 % an alle Nachkommen eines Organismus vererbt wird. Gene-Drive-Organismen sind so konzipiert, dass sie sich nach ihrer Freisetzung in die Natur mit ihren wilden Verwandten paaren und die genetische Veränderung zu einem vorherrschenden Merkmal in der wilden Population machen – über Generationen hinweg.

Einer der Hauptbefürworter des Einsatzes von Gene Drives zur Beseitigung invasiver Arten ist die Naturschutzorganisation Island Conservation. Sie ist seit langem damit beschäftigt, nicht einheimische invasive Raubtiere – vor allem Nagetiere, die eine Bedrohung für Vögel darstellen – von tropischen Inseln mit großer Artenvielfalt wie Hawaii und Galapagos zu entfernen. Bislang geschah dies mit konventionellen Methoden. Aber Island Conservation ist der Ansicht, dass weitergehende Maßnahmen, darunter Gene Drives erforderlich sind. Aus diesem Grund hat Island Conservation das Projekt Genetic Biocontrol of Invasive Rodents (GBIRd) ins Leben gerufen, das von sieben Universitäten und Nichtregierungsorganisationen aus den USA und Australien unterstützt wird, um den Gene-Drive-Ansatz und damit verbundene Fragen zu untersuchen.

Mäuse, Eichhörnchen, Frettchen, Wespen, Fruchtfliegen und Kröten gehören zu den invasiven Arten, die aus Ökosystemen entfernt werden sollen, in die sie eingedrungen sind und die sie schädigen. Gene-Drive-Entwickler wollen bestimmte Gene in den Keimzellen dieser Organismen, die zum Beispiel für das Geschlecht der Nachkommenschaft kodieren, einfach mit einem Gene-Drive versehen. Dies könnte bewirken, dass nur noch männliche oder weibliche Nachkommen geboren werden und die Population der lokal unerwünschten Arten im Laufe weniger Generationen zusammenbricht.

Die ersten Schritte zur Entwicklung eines Gene Drives in Mäusen wurden 2019 an der University of California in San Diego, USA, unternommen. Diese Forschung zeigte jedoch, dass CRISPR-Gene Drives bei Säugetieren noch nicht gut funktionieren.

Ist es sinnvoll, invasive Arten mit invasiven GVO zu bekämpfen?

In Queensland, Australien, hatten die Zuckerrohrbauern in der Vergangenheit große Probleme mit Käfern, die ihre Ernten zerstörten. Im Jahr 1935 wurden Rohrkröten (ursprünglich aus Südamerika) eingeführt, um die Käfer zu bekämpfen. Die Rohrkröten konnten die Käferpopulation erfolgreich unterdrücken, entwickelten sich aber selbst zu einer invasiven Art. Jetzt sind diese Kröten eine Plage und in ganz Australien verbreitet, da sie ihre Fressfeinde vergiften können. Die australische Forschungsbehörde (CSIRO) leitet Forschungsprojekte zur Ausrottung von Rohrkröten durch Genmanipulation. Aber wer kann sicher stellen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt?

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Roslin-Institut im Vereinigten Königreich, wo das invasive Grauhörnchen (vor 150 Jahren aus Nordamerika eingeführt) das einheimische rote Eichhörnchen zurückgedrängt hat und Bäume und Vogelnester zerstört. Die Idee hier ist ähnlich wie in Australien: Ein Gene Drive  könnte entweder die Nachkommenschaft unfruchtbar machen oder es würden nur Nachkommen eines Geschlechts geboren.

Wie Dave Goulson, Professor für Biologie an der Universität Sussex, anekdotisch feststellt:

„Früher haben wir rote Eichhörnchen als Schädlinge gegessen und verfolgt. Wir haben graue Eichhörnchen eingeführt, weil wir sie niedlich fanden. Dann breiteten sie sich aus, und die roten Eichhörnchen gingen zurück. Also änderten wir unsere Meinung und beschlossen, dass die roten Eichhörnchen jetzt niedlich sind und die grauen getötet werden sollten.

Wäre es also eine gute Idee, das graue Eichhörnchen durch einen Gene Drive zu eliminieren?  Hier ist eine andere Idee: Forscher haben herausgefunden, dass die Wiedereinführung von fast ausgestorbenen einheimischen Raubtieren wie dem Baummarder im Vereinigten Königreich zu einem Rückgang des grauen Eichhörnchens und einem Anstieg des roten Eichhörnchens führen würde.
Auf ein intaktes Ökosystem kommt es an!

Frühzeitige Warnungen: Gene Drives nicht für Naturschutzzwecke geeignet

Als Neuseeland ursprünglich in Erwägung zog, Gene Drives als Teil seines Preditor-Free-Programms einzubeziehen, um die Insel von invasiven Arten zu befreien, veröffentlichten zwei Gene Drive-Entwickler im Jahr 2017 einen Artikel, in dem sie vor einer solchen Entscheidung warnten.

Sie warnten davor, dass die einmal freigesetzten Gene-Drive-Organismen, z. B. Mäuse, mehrere Jahre auf der Insel überdauern könnten. Da nur wenige dieser Gene Drive-Mäuse benötigt würden, um eine ganze Population zu infizieren, könnten sie durch ihr langes Verbleiben auf der Insel auch Zeit finden, an andere Orte zu gelangen.

„Wenn wir etwas aus der Ausbreitung invasiver Arten gelernt haben, dann, dass Ökosysteme in vielfältiger Weise miteinander verbunden sind und dass eine Handvoll Organismen, die in einem Land eingeführt werden, Auswirkungen weit über die eigenen Grenzen hinaus haben können.

Sie warnten auch, dass, selbst wenn es diesen Gene Driv-Mäusen nicht gelingen würde, das Land über Handelsschiffe oder Flugzeuge zu verlassen, die Erfahrungen auf dem Gebiet der biologischen Schädlingsbekämpfung darauf hindeuten, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie auch absichtlich außer Landes gebracht werden könnten. Nämlich dorthin,wo Mäuse für bestimmte Wirtschaftszweige große Schäden verursachen. Beispielsweise beliefen sich allein in den USA die Gesamtkosten der jährlichen Verluste durch Ratten auf 19 Milliarden US-Dollar.

Die beiden Autoren fügten außerdem hinzu, dass, da Gene-Drive-Organismen von vornherein invasiv sind, eine Handvoll Ratten, die von Inseln wie Neuseeland auf das Festland entkommen, ausreichen würde, um alle Rattenpopulationen auszulöschen, wodurch die Ökosysteme und die Artenvielfalt weltweit schwer geschädigt würden. Darüber hinaus, so die Autoren, sei bereits die Entwicklung von Gene-Drive-Organismen in Forschungslaboren gefährlich. Denn wenn in diesem Gebiet die Art wild vorkomme. Sei ein Entkommen der Labortiere ein ökologischer Ernstfall.

Der Weg nach vorn: Eine breitere Debatte und ein globales Moratorium sind notwendig! 

Angesichts der Idee, mit Hilfe von Gene Drives eingeschleppte invasive Arten aus sensiblen Ökosystemen zu entfernen, diskutiert auch die International Union for Conservation of Nature (IUCN) seit Ende 2015 über diese Technologie.

In ihrer Mitgliederversammlung auf dem Weltnaturschutzkongress in Marseille im September 2021 verabschiedete die IUCN die Resolution 075, die die IUCN damit beauftragt, einen inklusiven und partizipativen, von den Mitgliedern gesteuerten Prozess durchzuführen, um die Rolle der Gentechnik und der synthetischen Biologie in Bezug auf den Naturschutz zu untersuchen. Auf der Grundlage dieser Untersuchung fordert die Resolution 075 die IUCN auf, bis zu ihrem nächsten Weltkongress im Jahr 2025 eine Politik zu diesem Thema zu entwickeln.

Dieser Prozess wird eine wichtige Gelegenheit für die globale Naturschutzszene sein, sich über diese neuen Entwicklungen zu informieren. Dieser Prozess wird hoffentlich einen Raum bieten, um zu verstehen, dass es viele unbeantwortete Fragen, Wissenslücken, Risiken und nicht bewertete ökologische Aspekte, konzeptionelle und rechtliche Herausforderungen sowie umfassendere Fragen wie sozioökonomische, kulturelle, ethische und rechtliche Auswirkungen im Zusammenhang mit der Gentechnik an Wildtieren gibt, die angegangen werden müssen, bevor die IUCN eine Position beziehen kann. In jedem Fall wird diese Position eine wichtige Botschaft an die laufenden Diskussionen zur globalen Regulierung der Gene Drive Technologie auf der Ebene des UN CBD senden.

Für die Zwischenzeit fordert die Stop Gene Drive Kampagne die nationalen Regierungen in aller Welt dazu auf, ein weltweites Moratorium auf die Freisetzung von Gene-Drive-Organismen in der Umwelt (einschließlich Feldversuchen mit diesen Organismen) zu verhängen, solange diese offenen Fragen nicht beantwortet sind und kein globaler Konsens über den Einsatz dieser Technologie erreicht wurde.

Lesen Sie hier mehr darüber, wie Gene Drives funktionieren, welche Risiken  sie mit sich bringen, welche Diskusionen gerade bei der IUCN stattfinden, neuestes über den Stand der Regulierung von Gene Drives und unsere politischen Empfelungen.


World Wildlife Day

World Wildlife Day:

Dreams & nightmares of genetically engineering wildlife.

Why conservation organisations across the world need to speak up!

Most people in the EU – including civil society organisations – are opposed to genetically manipulating food crops but unaware that the scope of genetic engineering projects has shifted radically in the past decade. With the advent of CRISPR/Cas genetic engineering has been brought to a new level while the previously used ‘gene guns’ that enabled for example Monsantos pesticide resistant corn have become quite outdated. With CRISPR many more species – and not only domesticated ones – can be genetically modified in much more targeted and profound way.

Genetic engineering in conservation?

Impressed by these new possibilities molecular biologists and even some conservation organisations have started to dream of genetic engineering as the magic bullet for nature conservation. Invasive species in particular are subject to research projects which aim to develop so called gene drive organisms. Gene drives – a specific application of CRISPR/Cas-based genetic engineering – ensures that a genetically engineered trait will be inherited by 100% of all offspring of an organism. Gene drive organisms, once released into natural environments, are designed to mate with their wild relatives and make the genetic modification a prevalent trait in the wild population – across generations.

One of the main proponents for using gene drives for invasive species elimination is the conservation organisation called Island Conservation. They have a long record of removing non-native invasive predators – predominantly rodents that threaten birds – from tropical biodiverse islands such as Hawaii and Galapagos. To date, this has been done using conventional methods, but Island Conservation believes that other tools such as gene drives are required. For this reason, Island Conservation initiated the Genetic Biocontrol of Invasive Rodents (GBIRd) project, which is supported by seven universities and non-governmental organizations from the USA and Australia, to investigate the gene drive approach and associated questions.

Mice, squirrels, ferrets, wasps, fruit flies and toads are among the species on the wish to be removed from the ecosystems they invaded and harm. Gene drive developers want to simply add a gene drive to specific genes in the germ cells of these organisms that for example code for the sex of the offspring. This could have the effect that only male or female offspring would be born and the population of the locally undesired species would crash over the course of a few generations.

The first steps to develop a gene drive in mice was taken in 2019 at the University of California in San Diego, USA. This research showed, however, that CRISPR gene drives do not yet work well in mammals.

Have we learned any lessons? Does it make sense to fight invasive species with invasive GMO?

In Queensland, Australia, sugarcane farmers in the past had huge issues with beetles that would destroy their crops. In 1935 cane toads (originally from South America) were introduced to fight the beetles. The cane toads succeeded in suppressing the beetle population but turned into invasive species themselves. Now those toads are a plague and spread throughout Australia as they can poison their predators. Australia’s national scientific research agency (CSIRO) is leading research projects on the elimination of cane toads via gene drive. But who can be sure that with gene drive cane toads history is not going to repeat itself?

A similar approach is pursued by the Roslin Institute in the United Kingdom, where the invasive grey squirrel (imported from North America 150 years ago) has pushed back the native red squirrel and destroys trees and bird nests. The idea here is similar to the one in Australia: A gene drive could either render the offspring infertile or only offspring with one sex would be born.

As Dave Goulson, a professor of biology at Sussex University points out anecdotally:

We used to eat and persecute red squirrels as pests. We introduced grey squirrels because we thought they were cute. Then they spread and the reds started to decline, so we reversed our opinion, deciding that the reds were now cute and the greys should be killed.”

So would it be a good idea to eliminate the grey squirrel with a gene drive?  Here’s just one other idea: Researchers have found that reintroducing almost extinct native predators, such as the pine marten into the UK, would lead to a decline of the grey squirrel and a rise of the red squirrel.

Early warnings: gene drives not suitable for conservation purposes

When New Zealand initially considered to include gene drives as part of their Preditor Free Program to rid the island of invasive species, two gene drive developers in 2017 published an article warning against such a decision.

They warned, that once released, the gene drive organisms, for example mice, could remain on the island for several years. Seen that only a few of these gene drive mice would be needed to infect a whole population, their long existence on the island could enable them to “hitch a ride” to other places.

If we have learned anything from the spread of invasive species, it is that ecosystems are connected in myriad ways and that a handful of organisms introduced in 1 country may have ramifications well beyond its own borders.”

They also warned that, even if these gene drive mice would not manage to leave the country by travelling along via tradeships or planes, experiences in the field of biocontrol seem to suggest that changes are high that they could be moved deliberately to countries where mice pose high damage to certain industries. For example, in the US alone the total cost of annual losses to rats amounts to US19 billion.

The two authors add, that as gene drive organisms are invasive by design, a handful of escaping rats from islands such as New Zealand to the main land would suffice to eliminate all rat populations, thereby severely damaging ecosystems and biodiversity worldwide. In addition, according to these authors, even developing gene drive organisms in labs within an area where the target species lives is dangerous, as any escape would be fatal.

The way forward: A bigger debate & a global moratorium is needed!  

In view of the possibility of using gene drives to remove introduced invasive species from sensitive ecosystems, the International Union for Conservation of Nature (IUCN), has also been discussing this technology since late 2015.

In its Members Assembly at its World Conservation Congress in Marseille in September 2021, the IUCN adopted Resolution 075 that mandates the IUCN to undertake an inclusive and participatory member-driven process to explore the role of genetic engineering and synthetic biology in relation to nature conservation. Based on this exploration, Resolution 075 asks the IUCN to develop a policy on this topic until its next World Congress in 2025.

This process will be an important opportunity for the global conservation scene to learn about these new developments. This process will hopefully provide a space to understand that there are many unanswered questions, knowledge gaps, risks and unassessed ecological aspects, conceptual and legal challenges as well as wider questions such as socio-economic, cultural, ethical and legal impacts associated with the genetic engineering of wildlife that need to be addressed before the IUCN can take a position. This position will send an important message to the ongoing regulatory discussions on the level of the UN CBD.

In the meantime the Stop Gene Drive Campaign is demanding national goverments across the world to impose a global moratorium on the environmental release of (including field trials with) gene drive organisms – as long as these open questions have not been answered and a global consensus on the use of this technology has not be reached.

 

Read here more about how gene drives work, their risks, about the IUCN discussions, the current state of gene drive regulation and our policy recommendations.