Gene Drive Organismen sind eine der riskantesten Anwendungen von Gentechnik, die jemals entwickelt wurde.
Die Stop Gene Drives Kampagne fordert, die Freisetzung von gentechnisch veränderten Gene Drive Organismen in die Natur zu verhindern
Gene Drives sind mächtige gentechnische Werkzeuge, mit denen sich bestimmte Merkmale schnell in einer Population verbreiten lassen. Hier erfahren Sie mehr über die Technologie, ihr möglichen Anwendungen, Risiken und Auswirkungen.
Durch unsere Kampagne erweitern wir die Debatte über Gene Drives, indem wir führende Expert:innen, Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt zu Worte kommen lassen.
Gene Drives: Die gentechnische Kettenreaktionzur Veränderung wildlebender Arten
Mit neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas sollen Tiere und Pflanzen bei der Fortpflanzung gentechnisch so manipuliert werden, dass sie eine neue Eigenschaft an sämtliche Nachkommen weitervererben – selbst wenn diese für sie tödlich ist. Dabei setzen Gene Drives die natürlichen Vererbungsregeln außer Kraft. Dieser Mechanismus wiederholt sich dann selbstständig in jeder neuen Generation: eine gentechnische Kettenreaktion.
Die Unterschiede zwischen alten und neuen Gentechnikverfahren liegen in den dabei eingesetzten Werkzeugen und Mechanismen sowie der Zielgerichtetheit und Art der gewünschten Genveränderung. ‚Alte Gentechnik‘ bezeichnet Verfahren, die ein oder mehrere Gene eines artgleichen oder artfremden Organismus in die DNA eines Organismus mit bakteriellen Plasmiden oder Genkanonen an einen oder mehrere zufällige Ort in die DNA einschleusen. Wo im Erbgut die eingebrachte DNA eingebaut wird, bleibt dem Zufall überlassen.
Als neue gentechnische Methoden werden eine Reihe von Instrumente mit Namen wie CRISPR/Cas, Zinkfinger-Nuklease oder Talens bezeichnet, die auch erst in die DNA eingeschleust werden müssen, bevor die dort gentechnisch aktiv werden können. Diese Verfahren werden gemeinhin „Genscheren“ genannt, weil sie es ermöglichen, DNA-Sequenzen an einer spezifischen Stelle zu zerschneiden. Der daraufhin einsetzende zelleigene Reparaturmechanismus wird von Biotechnologen dann dafür genutzt, einzelne Gene auszuschalten, ihre Funktion zu verändert oder neue Gensequenzen einzufügen.
CRISPR/Cas ist ein Verfahren der sogenannten neuen Gentechnik, das im Jahr 2012 von den Molekularbiologinnen Emanuelle Charpentier und Jennifer Doudna entdeckt wurde. CRISPR steht als Abkürzung für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, welches eigentlich im Immunsystem von Bakterien zur Abwehr von Viren genutzt wird. Die beiden Entdeckerinnen haben dann diesen Mechanismus zu einem Werkzeug der Biotechnologie umfunktioniert. CRISPR besteht aus zwei Komponenten: einem Suchwerkzeug für DNA-Sequenzen und einem dazugehörigen Protein namens Cas (das eine Abkürzung für CRISPR-associated ist). Cas kann an einer gesuchten DNA-Zielsequenz einen Doppelstrangbruch der DNA durchführen, woraufhin Reparaturmechanismen in der Zelle diesen Bruch dann auf 3 mögliche Arten reparieren können. Diese drei Reparaturmechanismen machen sich Biotechnologen dann zunutze, um entweder bestehende Gensequenzen auszuschalten, nur ein einzelnes Basenpaar oder eine ganz neue DNA Sequenz einzubauen.
Mehr Informationen bei der Fachstelle Gentechnik und Umwelt.
Der Naturwissenschaftler Gregor Mendel entdeckte im Jahr 1865 Gesetzmäßigkeiten bei der natürlichen Vererbung von Merkmalen, die als Mendel‘sche Vererbungsregeln bekannt wurden. Diese beschreiben unter anderem, dass die Wahrscheinlichkeit der Vererbung eines genetischen Merkmals zweier (reinerbiger) Elternteile an ihre Nachkommen bei ca. 50 % liegt. Gene Drives umgehen diese Mendel‘schen Vererbungsregeln und etablieren eine „Super-Mendelische“ Vererbung. Das bedeutet, dass durch einen Gene Drive bis zu 100 % aller Nachkommen – über Generationen hinweg – eine bestimmte genetische Eigenschaft erben.
Darüber hinaus prägte Gregor Mendel zusammen mit Alfred Russel Wallace den Begriff natürliche Auslese. Auch dieser Kernmechanismus der Evolution wird durch Gene Drives außer Kraft gesetzt. Bei der natürlichen Auslese setzen sich vor allem solche Merkmale in Populationen und Arten durch, die dem Überleben der Art oder der Anpassung an eine spezifische Umgebung dienen. Mit Gene Drives würden sich nun aber auch genetische Eigenschaften in einer Population durchsetzen können, die rein menschlichen Zwecken dienen und keinen Überlebens- oder Anpassungsvorteil bieten.
Der Begriff gentechnische Kettenreaktion ist die deutsche Interpretation des englischen Begriffs „mutagenic chain reaction“. Er wurde von den Gene Drive Erfindern Valentino Gantz und Ethan Bier geprägt. Mit diesem Begriff meinen wir hier, dass die gentechnisch veränderte Gene eines mit Gene Drive im Labor ausgestatteten Organismus so lange – ähnlich einer Kettenreaktion – unaufhaltbar und unwiderruflich an alle Nachkommen und wiederum all deren Nachkommen weitervererbt werden, bis alle Individuen einer wilden Population oder Art diese Gene tragen.
Freisetzung bedeutet im Fall von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), dass diese aus dem geschlossenen System eines Gentechniklabors, wo sie erzeugt wurden, in ein offenes System, die Natur entlassen werden. Freisetzungen können gewollt geschehen – wie im Rahmen der Forschung zum Zweck eines Feldversuchs oder zur gezielten Anwendung. Freisetzungen können aber auch ungewollt geschehen, wenn Forschenden Fehler unterlaufen und Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend waren.
Gene Drive Organismen sollen ihre Artgenossen in der Natur verdrängen oder gar ausrotten. Ihre Freisetzung kann unvorhersehbare Folgen für Ökosysteme und Nahrungsnetze haben. Rückgängig zu machen ist sie nicht. Im schlimmsten Falle könnte dies zu weiterem Artensterben und zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen und auch die menschliche Gesundheit und Ernährung gefährden.
Freisetzungen von Gene Drive Organismen verhindern!
Die Stop Gene Drive Kampagne vernetzt zivilgesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Organisationen und Bürger*innen in Deutschland, Europa und weltweit, mit dem Ziel, erste Freisetzungen von Gene Drive Organismen in die Natur zu verhindern. Gemeinsam mit knapp 300 Partnerorganisationen aus den Bereichen Natur- und Umweltschutz, Tierschutz, Landwirtschaft, internationaler Zusammenarbeit und dem Handel sowie knapp 300.000 EU-Bürger*innen fordern wir zu diesem Zweck ein globales Moratorium auf die Nutzung der Gene Drive Technologie in der Natur.
Moratorium
Der Begriff Moratorium bezeichnet einen vertraglich vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Aufschub. Mit einem globalen Gene Drive Moratorium meinen wir ein auf Ebene der UN Biodiversitätskonvention (UN CBD) vereinbarter und an Bedingungen geknüpfter zeitlicher Aufschub für die Freisetzung von Gene Drive Organismen. Hier geht es zu unseren Empfehlungen für Bedingungen, die die Aufhebung dieses Moratoriums begründen könnten.
Gene Drives Broschüre
Unsere Broschüre mit weiteren Hindergrundinformationen zu Gene Drives. Verfügbar in Englisch, Deutsch, Französisch, Rumänisch, Polnisch und Spanisch.
Dokumentarfilm zur Kampagne
Expert:innen aus aller Welt erklären, welche zahlreichen Bedenken der Einsatz der Gene-Drive-Technologie hervorruft
Save Our Seeds empfiehlt folgende dringende Maßnahmen
– Eine globale Meldepflicht für die Forschung an Gene Drive Organismen in geschlossenen Systemen und einheitliche Sicherheitsstandards für die Gene Drive Forschung
– Die Entwicklung eines integrierten Systems der Abschätzung, Bewertung und des Managements von Risiken durch Gene Drive Organismen für Umwelt und Gesundheit
– Konzepte internationaler, inklusiver Technikfolgenabschätzungen für Gene Drive Organismen
– Ein weltweites Verfahren für Entscheidungen über die Freisetzung von Gene Drive Organismen
– Die Rückholbarkeit und Kontrollierbarkeit von Gene Drive Organismen als Voraussetzung für jegliche Freisetzung (auch von Feldversuchen)
– Verbindliche und spezifische globale Regeln für Haftung und Entschädigung bei Schäden durch Gene Drive Organismen
– Ein Verbot der Entwicklung von Gene Drive Organismen mit militärischem Einsatzpotential
– Die Stärkung des Vorsorgeprinzips bei der Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen in der EU durch Einführung von Ausschlusskriterien
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